Noch in diesem Jahr soll der Stadt Neu-Isenburg die Zusatzbezeichnung „Hugenotten- und Waldenserstadt“ verliehen werden. Geplant, aber noch nicht vom Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz bestätigt, ist für die feierliche Verleihung der 325. Geburtstag der Stadt Neu-Isenburg am 24. Juli 2024.
Neu-Isenburg wurde zwar von Hugenotten gegründet, aber insbesondere von Waldensern entwickelt, die ab 1702 in das Welsche Dorf siedelten. Die Waldenserstraße in Neu-Isenburg erinnert an diese Stadtgründer, die im 17. Jahrhundert aus Pragela im Piemont vertrieben wurden und in Neu-Isenburg eine neue Heimat fanden. Zu diesen Persönlichkeiten zählten Namen wie Arnoul, Pons, Réviol, Gryot, Gaydoul oder Passet. Sie waren Kirchenälteste, Urkundsbeamte, Schöffen der Ortsjustiz, Schulmeister und Bürgermeister.
„Wir haben uns über den positiven Bescheid aus Wiesbaden sehr gefreut. Wir verstehen uns in der Tradition der Gründungsväter und –mütter, den Hugenotten und Waldensern. Seit vielen Jahren pflegen wir eine umfassende Geschichts- und Erinnerungskultur. Gerade in der heutigen Zeit ist die Besinnung auf die eigene Geschichte wichtig und trägt zur Identitätsstiftung bei“, sagt Bürgermeister Dirk Gene Hagelstein.
Dem Antrag der Stadt Neu-Isenburg künftig die Zusatzbezeichnung „Hugenotten- und Waldenserstadt“ zu tragen, wurde vom damaligen Staatsminister Beuth 2023 zugestimmt. Erst nach der offiziellen Übergabe der Urkunde ist die Verleihung der Zusatzbezeichnung verbindlich und darf daher erst ab diesem Zeitpunkt verwendet werden. Dann sind von der Verwaltung entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung der Namensergänzung zu treffen.
Über die Hugenotten- und Waldenserstadt Neu-Isenburg
1699 wurde Neu-Isenburg von Graf Johann-Philipp zu Ysenburg-Büdingen für geflüchtete Hugenottische Bauern gegründet, welche nahezu mittellos nach Offenbach gekommen waren. Da dort nicht genug geeignetes Ackerland zur Verfügung stand, lies der Graf südlich des Frankfurter Stadtwaldes ein „ideales“ Dorf errichten (quadratischer Grundriss mit zwei Gassenkreuzen, heute eingetragenes Denkmal). Da Graf Johann-Philipp nicht mit dem niederländischen Gesandten Valkenier verhandelt hatte, bekam er, anders als andere Siedlungen, für dieses Vorhaben keine Geldmittel. Schon ab 1701 stießen jedoch Waldenser zur ursprünglichen hugenottischen Bevölkerung der Siedlung. Sie hatten zumeist zuvor schon in anderen deutschen Siedlungen (wie etwa dem rein waldensisch besiedelten Walldorf) gelebt, waren erfahren in Angelegenheiten der Selbstverwaltung und sozial engagiert. Ihre Namen (etwa Arnoul, Pons, Gaydoul) finden sich unter den Honoratioren des Ortes. Die Aufnahme der Waldenser führte dann dazu, dass der mit einem Mandat für waldensische Geflüchtete ausgestattete Pieter Valkenier nun auch Neu-Isenburg mit Geldleistungen unterstützte, was die bis dahin ungenügend ausgestatte junge Siedlung stabilisierte. Mit diesen Mitteln konnten unter anderem Pfarrer und Lehrer bezahlt werden. Die Hugenotten und Waldenser wählten 1702 ein Konsistorium, wodurch eine französisch-calvinistische Kirchengemeinde entstand, in diesem Jahr wird auch eine erste schlichte Holzkirche erbaut. Anders als in anderen Ansiedlungen für Geflüchtete aus dieser Zeit (wie Friedrichsdorf und Bad Karlshafen für Hugenotten, Walldorf für Waldenser) bleiben hier die Geflüchteten nicht auf eine Fluchtgruppe beschränkt. Schon zwei Jahre nach der Gründung sind es Hugenotten und Waldenser, die die weitere Entwicklung des Ortes gemeinsam vorantreiben. Beide Gruppen stellen Honoratioren wie Bürgermeister oder die Wirte der ersten beiden Gasthäuser. Für Hugenotten gegründet, aber ohne die finanzielle Unterstützung für die Waldenser und deren Erfahrungen in der kommunalen Selbstverwaltung nicht überlebensfähig wird Neu-Isenburg zu einer Hugenotten- UND Waldenserstadt.
Vgl. dazu Fogel, Heidi: Neu-Isenburger Geschichtsbuch, Neu-Isenburg 2017 und das Konsistorienbuch der französisch reformierten Gemeinde Neu-Isenburg