Stadt Neu Isenburg

Stadt Neu-Isenburg

Zeitreise Gravenbruch

So besonders wie der Spatenstich mit einer Planierraupe durch Bürgermeister Ludwig Arnoul am 5. 12. 1960, so besonders ist auch die Geschichte Gravenbruchs. Anlässlich des 65jährigen Bestehens, soll hier ein kurzer Überblick in Stichpunkten über die Entwicklung des Stadtteils gegeben werden.

Frühe Geschichte 

Der Name Gravenbruch stammt von Creyenbruch oder Krayenbruch. Bruch bezeichnet hierbei ein Moor oder Sumpfgebiet. Nach Heimatforscher Kurt Nahrgang stammt der Wortteil Creyen vom Wort Krähen. Alternativ könnte Krayenbruch für grauer Bruch stehen, nach dem grauen Trachyt-Gestein, das in der Nähe bis in die sechziger gebrochen wurde. Die Schreibweise Grafenbruch mit einen F geht auf die inkorrekte Annahme zurück, der Name gehe auf die Grafen von Schönborn, Besitzer des Landes seit dem 17. Jahrhunderts, zurück. Im 16. Jahrhundert ließ Sebastian von Heusenstamm Teile des Gebiets roden und 1586 eine befestigen Gutshof errichten. Nach der schwerwiegenden Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg und der Pest in Heusenstamm, verkauften die Herren von Heusenstamm ihren Besitz 1661 an die Grafen von Schönborn. Der Gutshof wurde in ein Jagdschloss erweitert.

Im Zweiten Weltkrieg befand sich im Gebiet eine Schein-Flakstellung, um alliierte Bomber von ihren Zielen abzulenken. Bei einem Luftangriff wurde das Gutshaus – seit 1885 eine Gaststätte – zerstört, konnte aber nach dem Krieg schnell wiederaufgebaut werden. Seit 1967 befindet sich dort ein Hotel. Seit 2024 das Hilton Frankfurt Gravenbruch.

Das Gebiet auf dem heute Gravenbruch steht, (11,83 Hektar) wurde am 1.04.1957 durch Landesgesetz der Gemarkung Neu-Isenburg zugeschlagen. Das gesamte Gebiet Gravenbruch wurde zwischen Sprendlingen, Heusenstamm und Neu-Isenburg aufgeteilt. Das Areal um den Gutshof ging an Neu-Isenburg, da es bereits eine Telefonverbindung zwischen dem Gutshof und Neu-Isenburg gab und die Strecke für Rettungskräfte recht kurz war.

Das Autokino

Das Autokino Gravenbruch eröffnete am 31.3.1960 als erstes Autokino in Deutschland und zweites in Europa. Der erste Film war Der König und ich mit Deborah Kerr und Yul Brynner, bei einem Eintritt von 2,75 DM.

Planung der Wohnstadt

In den 1960er Jahren war der Bedarf an Wohnungen in Deutschland groß, insbesondere in industrialisierten Ballungsräumen. In Neu-Isenburg fehlten zur dieser Zeit um die tausend Wohnungen. Die Grundidee für die Wohnstadt Gravenbruch stammt vom Offenbacher Landvermesser Dr. Lothar Keck. Er sah das Potential, weil das Gebiet in alle Himmelsrichtungen durch Straßen bereits gut angebunden war. Er holte die Offenbacher Bauunternehmer Rudolf und Karl Geßner ins Boot.  Im Mai 1958 arbeitete der Architekt Stadtbaudirektor a. D. Heinrich Stiefken eine Planskizze über eine Wohnsiedlung für 3000 Menschen aus und legte diese 1959 dem Magistrat der Stadt Neu-Isenburg vor. Aufgrund der hohen Erschließungskosten hatte der Magistrat zunächst Bedenken. Karl Geßner ließ die Pläne vom Architekten Alex Weber weiterentwickeln und schlug vor, die Erschließungskosten zu übernehmen, eine Polizeistation, ein Verwaltungsgebäude und eine Schule zu bauen. Unter diesen Bedingungen stimmte die Stadt Neu-Isenburg dem Bau schließlich zu.

Bürgermeister Ludwig Arnoul auf der Planierraupe – das Bild schrieb Geschichte. Begleitet vom feierlichen Klang des Marsches aus Richard Wagners „Tannhäuser“ setzte der Neu-Isenburger Bürgermeister Ludwig Arnoul am 5. Dezember 1960 mit dem ersten Spatenstich den symbolischen Startschuss für die Entstehung der Wohnstadt Gravenbruch. Der Bau der Wohnhäuser und öffentlichen Einrichtungen erfolgte in drei Abschnitten.

Der erste Abschnitt befand sich im Nordwesten bis zum Dreiherrnsteinplatz und dem ersten Ladenzentrum. Neben 30 Mietshäusern mit drei und elf Stockwerken entstanden auch 80 Einfamilienhäuser. Der 1963 fertiggestellte Abschnitt enthielt 1.060 Wohnungen.

Während die Bauarbeiten am ersten Abschnitt noch liefen, begannen 1962 bereits die Arbeiten am Bau des zweiten Abschnitts, östlich des Dreiherrnsteinplatzes gelegen, mit der Schwalbenstraße, der Meisenstraße und der Schleife der Hauptstraße Am Forsthaus Gravenbruch. Es wurden 55 Wohn­­häuser (drei bis neun Etagen) gebaut. Dies ergab weitere 1.340 Wohnungen. Der zweite Bauabschnitt umfasste auch den Bau einer Reihe von öffentlichen Gebäuden: die Grundschule, die Stadtteilbibliothek, eine Mehrzweckhalle und ein Außensportgelände. Dieser Abschnitt wurde 1965 abgeschlossen.

Im gleichen Jahr begann dann die dritte Bauphase. Sie umfasste die Nachtigallenstraße mit ihren Stichstraßen. In diesem Abschnitt entstanden sieben große Wohnhäuser mit fünf bis 15 Etagen, Atrium- und Reihenhäusern. Es wurde auch südöstlich des ersten ein zweites Ladenzentrum errichtet. Dieser Abschnitt wurde 1971 fertiggestellt und umfasste insgesamt 420 Wohneinheiten.

Nach dem ersten Bauabschnitt wurde die Bebauung stark verdichtet, da sich die Erschließung teurer als erwartet erwies. Durch die Verdichtung erhöhte sich die mögliche Einwohnerzahl von 6.000 auf 9.000.

Erste Einwohner

Während noch gebaut wurde, bezogen am 6. Juli 1962 die ersten Mieter ihre Wohnungen in der Spechtstraße. Wasser- und Stromleitungen waren bereits verlegt, allerdings funktionierte die Heizung per Fernwärme aus Offenbach funktionierte noch nicht. Zwei Winter lang wurde mit einem mobilen Heizkessel (Lokomobile) geheizt. Auch die Gehwege waren noch nicht gepflastert, aber das Ladenzentrum stand kurz vor der Fertigstellung.

Die „Ureinwohnerin“ Marlene Adamczyk, die 1962 in Gravenbruch einzog, berichtete, dass anfangs der Schulunterricht in einer Wohnung stattfand. Das Schulhaus wurde erst im April 1963 fertiggestellt, nach den Osterferien begann der Unterricht für acht Klassen. Auch der Kindergarten war bis 1965 behelfsmäßig in einer Wohnung untergebracht.

Gottesdienste wurden ebenfalls zunächst in Behelfsräumen gehalten. Im Januar 1963 eröffnete eine erste Arztpraxis. Auch auf die Einrichtung von Telefonanschlüssen mussten die Gravenbrucher warten. Die Post (damals für Telefonie verantwortlich) teilte im Sommer 1963 mit, die Anschlüsse würde frühestens in 18 Monaten gelegt. Bis dahin musste man zum Telefonieren zur Post oder zum Gutshof gehen.

In Gravenbruch selbst gab es nur sehr wenige Arbeitsplätze. Im Ortsteil arbeiteten nur etwa 200 Menschen. 2.200 (90 Prozent) fuhren morgens zur Arbeit in eine andere Stadt. Dies sorgte für ein hohes Verkehrsaufkommen. Zu Beginn gab es an der einzigen Ortszufahrt keine Ampel und es kam zu einer Reihe von tödlichen Unfällen. Geßner ließ eine Frankfurter Buslinie für hohe Kosten bis nach Gravenbruch verlängern. Eine Busverbindung nach Neu-Isenburg gab es erst ab 1973.

Der erste Gravenbrucher

Am Sonntag, 28. Juli 1963, wurde Ralf Zimmermann, der erste „echte“ Gravenbrucher, in der Stieglitzstraße 21, geboren. Als nur wenige Wochen nach dem Einzug der Familie in die neue Wohnung, die Wehen seiner hochschwangeren Frau einsetzten, rief Werner Zimmermann kurzerhand über die Notrufsäule der Feuerwehr die Hebamme, weil die Familie noch keinen Telefonanschluss hatte. Ralf Zimmermann wurde am 28. Juli als fünftes Kind der Familie geboren. Vertreter der Stadt gehörten zu den Gratulanten und überreichten eine Luftaufnahme von Gravenbruch. Auch der damalige Besitzer des Wohnhauses begrüßte den Zuwachs mit einem Blumenstrauß. Die Familie galt als „kinderreichste Familie“ Gravenbruchs. Der Legende nach galt Gravenbruch als kinderreichste Gemeinde Europas. Allerdings gibt es keine Statistik, die dies belegt.

Wer wohnte im neuen Viertel?

Nach Gravenbruch zogen viele Beamte und höhere Angestellte, 1967 betrugt der Anteil dieser Gruppe 25%. Knapp die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner arbeitete nach eigenen Angaben in einer leitenden Position. Fast 20 % besaßen einen Hochschulabschluss.

Unter den verheirateten Frauen war fast die Hälfte berufstätig. In der Kernstadt war es nur jede Vierte. 1966 stammte mehr als ein Drittel aus Frankfurt, fast die Hälfte aus dem Rhein-Main-Gebiet.  30 % der Menschen in Gravenbruch waren zwischen 30 und 35 Jahren alt, 20 % wurden zwischen 1960 und 1966 geboren. Gravenbruch zog über die Jahre auch einige bekannte Persönlichkeiten an, wie Bernd Hölzenbein, Ivan Rebroff, Dunja Rajter und die Jacob-Sisters.

Weitere Entwicklung

Ein Wunsch der Einwohner auf die Gründung eines Ortsbeirates, wurde 1972 zunächst abgelehnt, erfolgte dann aber 1981.

In den Achtziger Jahren wurden viele Mietswohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt, viele „Ur“-Einwohner zogen weg. Die Idee, dass Autokinoareal zu bebauen, wurde aus Naturschutzgründen verworfen. Das alte Ladenzentrum aus der Gründungsphase wurde 1985 abgerissen. Das neue Einkaufzentrum I, die Forsthaus Galerie wurde nach zweijähriger Bauzeit im Dezember 1987 eröffnet.
2014 lag die Bevölkerung bei 5.945 Einwohnern. Nach einem kleinen Knick erfreut sich heute Gravenbruch immer größerer Beliebtheit, das zeigen nicht zuletzt die stetig wachsenden Bevölkerungszahlen. Durch seine Lage, Bebauungsart und die gut ausgebauten Kindereinrichtungen ist Gravenbruch für junge Familien attraktiv. Ende 2024 lebten 6.525 Menschen in Gravenbruch. 

Drei Kitas, das Kinderbetreuungszentrum KIZ und ein Jugendzentrum stehen für die Betreuung der Kleinsten, die nachschulische Betreuung sowie für eine kreative Freizeitgestaltung zur Verfügung. Daneben gibt es viele Vereine und die Stadtteilbibliothek, die ein tolles Angebot für Kinder und Jugendliche im Stadtteil bereitstellen. Die Ludwig-Uhland-Schule ist als eine ersten Schulen Neu-Isenburgs mit pädagogischer Mittagsbetreuung in das Ganztagskonzept des Landes Hessen aufgenommen worden. Das Projekt „Nachschulische Betreuung Ludwig-Uhland-Schule und Bildungszentrum Gravenbruch“ wurde als gemeinsames Bau-Projekt von Stadt und Kreis Offenbach 2015 fertiggestellt. Saniert und umgebaut wurde das Haus 6 der Ludwig-Uhland-Schule für die nachschulische Betreuung für rund 170 Kinder, zusätzlich wurde in einem eingeschossigen Anbau eine Mensa und die neue Stadtteilbibliothek errichtet. 

Zwei Kirchengemeinden und die Initiative „Mein Gravenbruch“ bieten ein breites Programm für alle Generationen. Dazu kommen die Angebote des Offenen Treffs und die Stadtteilberatung für Seniorinnen und Senioren, die Vereine und die zahlreichen Feste, wie beispielsweise das große Stadtteilfest auf dem Dreiherrnsteinplatz im September.   

Auch die Nahversorgung wurde in den letzten Jahren deutlich verbessert. Am 30. Oktober 2019 wurde ein REWE Vollsortimenter mit rund 1.400 Quadratmetern neu eröffnet.     

Am 14. Februar 2022 eröffnete das Kinder- und Dienstleistungszentrum Gravenbruch, Dreiherrnsteinplatz 4. Unter einem Dach finden die Gravenbrucher Bürgerinnen und Bürger seitdem viele wichtige Dienstleistungen für den Stadtteil. Ob Personalausweis beantragen im Bürgeramt, Kinderbetreuung in der evangelischen Kita oder den Polizeiposten. Auch das Büro der Nachbarschaftsinitiative Mein Gravenbruch und ein Übungsraum der Musikschule Neu-Isenburg sind in dem dreistöckigen Gebäude untergebracht sowie Dienstwohnungen.

Aktuelle Einwohnerzahlen

Insgesamt lebten zum 31.12.2024 6525 Menschen in Gravenbruch. Davon 1.420 unter 18 Jahren und 1.033 über 70 Jahre.
Quelle: Einwohnermeldestatistik Neu-Isenburg.

Einwohnermeldestatistik Neu-Isenburg.
Bevölkerung in Gravenbruch nach Altersgruppen

Quellen:

Dr. Heidi Fogel, 2016, Neu-Isenburger Geschichtsbuch

Pfarrer i.R. Fischer, 2002, 40 Jahre Wohnstadt Gravenbruch

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