Wieder widmet sich Jo van Nelsen in Wort, Bild und Ton dem Kernthema seiner Grammophonlesungen, der Weimarer Republik und seinen Künstler*innen.
1918 bekamen die deutschen Frauen erstmals das Wahlrecht, viele verblieben in den Berufen, in denen sie für die im Krieg stehenden Männer eingesprungen waren: Als Schaffnerinnen, Kontorleiterinnen, Stenotypistinnen – und auch schreibenden Frauen bot das aufblühende demokratische Zeitungswesen erstmals eine große öffentliche Plattform, die vielen zu Ruhm verhalf: Lili Grün, Hermynia zur Mühlen, Maria Leitner und viele andere. Sie berichteten aus Gerichtssälen und Hinterhöfen, vom Tennisplatz und Five O´Clock und machten Tucholsky & Co. ernsthafte Konkurrenz.
Doch die hoffnungsvoll begonnenen Karrieren fanden eine herbe Unterbrechung, oft sogar ein bitteres Ende mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933. „Asphaltliteratur“ nannten die Braunhemden nun das, was vielen Leser*innen der 1920er Jahre als literarischer Aufbruch in Stil und Form erschien und in der sie sich mit ihren starken Gefühlen der ersten Nachkriegszeit, Inflation und Neuorientierung wiederfanden.
Jo van Nelsen präsentiert in BUBIKOPF & BLEISTIFT eine spannende Auswahl von oft unbekannten Texten, in der die Frau der 1920er Jahre im Mittelpunkt steht: mal schillernd und albern jeder neuen Mode hinterherjagend, mal melancholisch und verzweifelt gegen den Großstadtstrom ankämpfend.
Dazwischen lässt er vom roten Koffergrammophon wichtige Interpretinnen der Zeit erklingen, z.B. Claire Waldoff, Marlene Dietrich, Hilde Hildebrandt. Sie alle waren den Frauen der Weimarer Republik Vorbild, gaben dem neuen emanzipierten Frauentyp Stimme und Form.
Ein Frauentyp, der von den Nazis verachtet und bekämpft wurde – mit einer Ideologie, die die Karriere und das Privatleben vieler der hier genannten Autorinnen zerstörte. Auch davon wird der Frankfurter Kabaretthistoriker Jo van Nelsen an diesem Abend, der wie alle Grammophonlesungen mit Bildern der Zeit ergänzt wird, erzählen.
Nachgeholter Termin am Dienstag, 19. März 2024, um 19:30 Uhr, in der Stadtbibliothek Neu-Isenburg,
Frankfurter Str. 152, Eintritt: 8 €, ermäßigt 5 €