Eine der leckersten Traditionen beim Neu-Isenburger Lumpenmontag ist die ‚Linsesupp‘. In diesem Jahr wird sie zum 60.ten Mal zubereitet, weiß der Statistiker der Iseborjer Fastnacht, Harald Streb, Senator und Präsident des Ehrensenats sowie 2. Vorsitzender des FBIK, zu berichten.
Die Linsesupp‘
Dank des Einsatzes und der Unterstützung von Bürgermeister Ludwig Arnoul, wurde 1964 erstmals ein Straßenkarneval, der Lumpenmontagsumzug, in Neu-Isenburg, veranstaltet. Zwar wurde auch schon nach dem Krieg 1948/1949 Fastnacht gefeiert, aber vorwiegend in den Gaststätten und Vereinssälen. Ursprünglich war die Linsesupp` eine Erfindung für die Wagenbauer. Am Freitag und Samstag vor dem Lumpenmontag rückten die Wagen-Bauer auf dem Kohlenhof von Erwin Frank, Firma Lack, in der Waldstraße 78 an. Willi Kohl, der Maler, Ludi Berdel, der Schlosser, Heinz-Karl Baumann und noch viele mehr. Erwin Frank befürchtete, dass zur Mittagszeit alle nach Hause rennen und den Wagenbau, Wagenbau sein lassen würden. Man musste die Truppe verpflegen. Also wurde aus einem alten Kupferkessel ein Suppentopf generiert. Hilde Mark, die spätere Prinzessin Hilde I. Freifrau von der Haspel (1976/1977), hatte bei der Fa. Luft die Suppen-Basis geschnorrt. Der großartige Geruch dieser ersten „Linsesupp“ zog durch die Waldstraße und lockte schnell Neugierige auf den Hof, die wissen wollten, was da wohl Gutes gekocht werde. Das war die Geburtsstunde der Linsensuppe.
Die erste Linsensuppe wurde offiziell am 9. Februar 1964, um 12:00 Uhr, an alle Narren ausgeschenkt – kostenlos, Spenden waren willkommen. In der „Goulasch-Kanone“ wurde die Suppe beim Umzug mitgeführt. Dazu wurde im Isenburger Anzeigeblatt das Lied veröffentlicht:
Die Goulasch-Kanone
Ja, ihr Leut', was kommt denn da?
Qualmt und dampft wie Feldhaubitze
ist auch sonst gar nicht so ohne
Inhalt: keine Hafergrütze
aber auch kaa „blaue Bohne“!
Knallt net gleich, mecht kaan Radau,
wird begrüßt mit viel Helau
hat geladez weiße Bohne mit viel Speck
(net mit Zitrone) - eine echte -Freß-Kanone!
Jedermann ist eingelade
sich hier mal die Schnut' zu bade,
Linsesupp' und Wurst zu esse
aus der prinzlich Goulasch-Kanon' -
Kostet nix, jawoll, mein Sohn!
Haste aach, mach' mer kann Stuß,
Teller, Löffel net vergesse?
Dann sonst kriehste nix zu esse
un mußt warte so e Weilche
bis dein Nachbar hat gegesse
und dir dann sein Schanzzeug leiht.
Nächst' Jahr ist es erst soweit,
daß dei Fraa im gute Kleid
an der Tafel Platz kann nehmen
und bedient wird zum Bequemen
doch: dann kost's e Klaanigkeit!
Seit 1964 wurden nun jedes Jahr die kostenlose Narrenspeisung zubereitet. Mit jedem Jahr wurde der Andrang größer und die Kochtöpfe reichten bald nicht mehr aus. Und so kam „Kätha“ (Katharina) Rind ins Spiel, die gerne ihre großen Wurstkessel in der Fabrik zur Verfügung stellte. Sie wurde mit ihrer Tatkraft schnell zur Oberköchin der Linsensuppe. Ihre Tochter, Frau Stang, erzählt, dass am Fastnachtssamstag unzählige freiwillige Helferinnen zum Vorbereiten und Schnippeln in der Fabrik eintrafen. In der Kampagne 1965/1966 wurden bereits 11.000 Portionen der leckeren Suppe an das Narrenvolk ausgeschenkt – bei einer Einwohnerzahl von rund 30.000!
Katharina Rind betreute bis zu ihrem Tod die Zubereitung der in Neu-Isenburg so beliebten Linsensuppe am Lumpenmontag. Nachfolger der Linsensuppenköchin Kätha Rind wurde ihr Sohn Hans.
Der Linsensuppenmarschall
Zubereitet wurde die Supp` von den Linsensuppen-Mäusscher“ unter der Aufsicht des „Linsensuppen-Marschalls“. Ein Amt, das lange Jahre in der Familie Klammes lag. Roland Klammes übernahm es von seinem Vater Heinrich. Nach dem Tod von Roland Klammes im Mai 2023 übernahmen diese Aufgabe Jörg Böhlendorff und Hans-Joachim Winkler.
Über Katharina Rind
Katharina Rind wurde am 8. März 1904 in Neu-Isenburg geboren. Von Kindesbeinen half sie in der elterlichen Wurstfabrik und führte die Geschäfte nach dem Tod ihres Vaters gemeinsam mit ihrem Mann Gottfried Rind weiter. Von 1966 bis zum 16. Mai 1989 war sie die Hofköchin des Lumpenmontags. 1972 erhielt sie vom Lumpenmontagsausschuss das Original „Linsensuppenlied“, gemalt vom Hofmaler des Lumpenmontags Willi Kohl. Sie erhielt viele Auszeichnungen für ihr Engagement für den Lumpenmontag, vom Zinnteller für 11 Jahre und 22 Jahre Linsensuppenkoch bis zum „Goldenen Vlies“ und Silbernen Senatsorden „Pro Meritis“. Außerdem wurde ihr 1984 die Bürgermedaille für ihre Verdienste um den Erhalt des heimatlichen Brauchtums verliehen. Verstorben ist Kätha Rind am 16. Mai 1985 im Alter von 85 Jahren.
Das Linsensuppenlied
Kätha Rind wurde das Linsensuppenlied gewidmet. Text und Melodie gehen zurück auf Willi Guckelsberger, den Ehrenpräsidenten des KV Die Watze. Das Original hängt in der Wagenhalle des Förderverein zur Brauchtumspflege des Isenburger Karneval e.V. (FBIK).
1. Fers
Seht ihr heut bei de Watze rein,
da trinkt man nur den goldnen Wein.
Das ist auch so ganz recht
so’n Wein der schmeckt nett schlecht.
Doch wenn es Lumpemontag is,
des Portmonai des hat en Riss,
dann gießen wir statt Wein
die Linsesupp‘ uns ein.
2. Fers
Die Küchelamp – die Kühholznas‘,
de Balkewatz – de Tannehaas,
de Sunnscheinschee – die Wupp,
die esse all‘ gern Supp‘.
De Butchnass meint, die schmeckt nach mehr,
der isst en ganze Eimer leer,
es muss nur alles neu
dann schmeckt die Supp‘ ach feu.
3. Fers
Man dut erst Linse in die Brüh‘,
Kartoffeln, Lauch un‘ Sellerie,
dann kimmt zu dem Gemüs‘
von hundert Säu die Füß‘.
Man nimmt noch Wasser un‘ was Mehl,
un‘ Zwibbel, die geröst wer’n gähl,
dazu geröste Speck,
dann wird die Supp‘ ach fett.
4. Fers
So e‘ Supp gibt’s aach am Lumpetag,
ein jeder Lump der komme mag,
ob Butchnass oder Wupp,
der kriegt bei uns seu Supp‘.
Kaa Fraa kocht was am Lumpetag,
weil alles zu de Watze zieht
un‘ jeder singt das Lied:
5. Fers
Un‘ diese Supp‘ – das weiß jed‘ Kind, die kocht für uns die Kätha Rind.
Passt uff ob alles drinn, was in die Supp‘ muss rinn.
Die Kätha dann die halb‘ Nacht kocht, sieht zu, dass die Supp aach richtig kocht
un‘ die ganze Lumpeschaar – word schon, bis die Supp is gar.
Refrain
Ei, guck doch emal die Watze,
die schmatze – die schmatze.
Was schmeckt die Supp‘ so gut,
des is was für die Schnut.
Die schmeckt nach lauter Linse,
da sind se – da sind se,
und etwas von de Sau,
und alles schreit Helau
Schalk in Neu-Isenburg
Der „Schalk in Neu-Isenburg“ wurde zwischen 1992 und 2022 an Personen verliehen wird, die sich um die Isenburger Fastnacht verdient gemacht haben. Er wurde zum ersten Mal am 14. Februar 1992, bei dem Bürgermeisterempfang im Isenburger Rathaus, von Bürgermeister Maier an den Karnevalisten Werner Krause verliehen. Die Figur des "Schalk in Isenburg" wurde von der Künstlerin Brigitte Groschopf, aus der Neu-Isenburger Partnerstadt Weida in Thüringen, entworfen und von Hand gefertigt. Den letzten Schalk erhielt in der Kampagne 2022/2023 Bürgermeister Herbert Hunkel a.D.
Zugplakett
Zu den vielen Traditionen der Iseborjer Fastnacht gehört seit über 40 Jahren die Zugplakett“. Der Erlös aus dem Plakettenverkauf dient der Finanzierung der Linsensuppe und des Lumpenmontagszuges in der Hugenottenstadt.
Nach einer Idee des Bürgermeisters Dirk Gene Hagelstein steht die fünfte Jahreszeit in diesem Jahr unter dem Motto „325 Jahre Neu-Isenburg“. Sie kostet 3 Euro und ist bei den Fastnachts-Vereinen und Banken in Neu-Isenburg erhältlich.
Über die Iseborjer Fastnacht
Nach dem Krieg fand der Karneval vor allem in den verschiedenen Sälen der Vereine und Lokale statt. Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Ludwig Arnoul sollte die Fastnacht in Neu-Isenburg durch einen Umzug weiterbelebt werden.
Als „Anführer“ für einen Fastnachtszug mussten „Charaktere“ gesucht und gefunden werden. Zwar gab es ein Prinzenpaar, aber Erwin Frank suchte etwas Spezielles und so wurde der „Oberlump“ kreiert, nahe liegend, da viele Karnevalisten aus Lumpen Kostüme schneiderten.
Erwin Frank erklärte sich 1952 bereit, den Oberlump für ein Jahr zu machen, daraus wurden dann doch 30 Jahre bis 1982. Ihm folgte Hermann Frank bis 1994, James Lange bis 2005 und Markus Letz bis 2020. Aktuell ist das Amt unbesetzt.
Der Watz, der nach einem ungehobelten Burschen des 19. Jahrhunderts benannt wurde und der gerne geschnorrte Kleider trug, gesellte sich 1965 hinzu. Der Erste Isenburger „Watz“ war Charly Neuroth, der bis 1985 die Isenburger Fastnacht mit anführte. Sein Amt übergab er an Karl-Heinz „Hugo“ Müller. Heute wird der Watz von Uwe Fräger verkörpert.
Der Lumpenmontagsausschuss wurde im September 1966 gegründet und wurde von der Stadt damit beauftragt den Umzug am Lumpenmontag zu organisieren.
Der Senat des Lumpenmontags wurde 1968 gegründet. Bei der offiziellen Gründungsfeier konnten 25 Senatoren als finanzielle Gönner vereidigt werden. Mitglied kann jeder werden, der Interesse hat, ein Stück Kultur und Tradition in Neu-Isenburg zu erhalten.
Rathaussturm
Zu Anfang wurde am Lumpenmontag das Rathaus gestürmt. Das Prinzenpaar belagerte das Rathaus und der Bürgermeister u. a. übergaben vom Balkon des Magistratssitzungssaals aus den Schlüssel der Stadt. Einige Jahre ruhte diese Tradition und wurde in den 90er Jahren wieder belebt. Seither wird das Rathaus samstags gestürmt – meist mit Erfolg. Zuletzt am 3. Februar.
Wer mehr über die Iseborjer Fastnacht wissen möchte, dem sei die sehenswerte und informative Seite des Neu-Isenburger Ehrensenat empfohlen. Unter ehrensenat-ni dokumentiert Harald Streb die Chronik aller Präsidien seit 1968, eine Übersicht aller Orden und Auszeichnungen wie „Stern von Isenburg“ und „Schalk in Isenburg“, alle Lumpenmontagsplaketten seit 1983 oder Fotos von den Senatsbällen und Senatsdamen.
Quellen: u.a. Stadtarchiv und Harald Streb